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Die Ironie im Guten

Wäre sie gewesen wie die Graue Masse von Menschen, die auch täglich in diesem Zug sitzen, gekrümmt und gebeutelt von einem harten Tag, still, ermüdet und mit halbtoten Augen abwesend ins Nichts starrend, dann hätte sie mich bestimmt nicht angesprochen. Sie hätte nicht diesen warmen Glanz in den Augen getragen, nicht mit einem anmutigen Lächeln hallo gesagt, in einem Gespräch nicht diese Herzlichkeit und Lebensfreude ausgestrahlt. Es war dieser Engel, der mich aus dieser grauen Masse rettete und mich den miesen Tag und den Regen der an diesem Abend in Strömen fiel vergessen liess, als wir beide an der gleichen Station ausstiegen und noch über eine Stunde weiter redeten, in einer Vertrautheit die mich tief ergriff, wurde mir bewusst, dass ich diese Frau liebte. Mein Herz wurde noch beflügelt, als sie mich bat, sie nach Hause zu begleiten. Ich war dem Tanz der schönsten Gefühle erlegen, was mir blieb, war dahinzugleiten und mich vollends treiben zu lassen in diesem Strom des Glücks und der Freude, die einen abheben lassen und über alle Probleme und Ängste hinweg tragen. Als wir vor ihrem Hause ankamen, sie mir gegenüber stand und mich mit ihren braunen, treuen Augen anstrahlte, fragte ich sie, ob man sich irgendwann wieder sehen könne. Gespannt blickte ich in ihre Augen, die eine Antwort vorwegnahmen, dann folgte ihre Erklärung, ich vernahm nur noch Ausdrücke wie Stress und keine Zeit, doch sie hatte bereits eine Distanz geschaffen, eine unendliche Entfernung. Sie schien nun so weit weg, dass ich sie nicht mehr sprechen hörte, ihr Mund bewegte sich zwar weiter, formte Laute, die Wörter ergaben, Wörter die Sätze bildeten und Sätze, die mir wohl klarmachen sollten dass ich sie nicht wieder sehen würde. Ich nickte und erwiderte irgend etwas, worauf ich mich abwandte und unter dem Vordach hervortrat.

Ich stand im Regen. Nun gut, versuchte ich mich selbst zu trösten, so etwas passiert nun mal. Eine derartige Erfahrung, eine Erlebnis, das insgesamt vielleicht zwei Stunden dauerte, würde ich leicht wegstecken. Da ist ja nichts dahinter, überlegte ich weiter, als ich bereits diesen unangenehmen Druck in der Magenregion verspürte, das Gefühl, dass sich die Innereien um den Magen herum zusammenziehen. Mein Verstand aber sagte mir, dass es sich nicht lohnte, weitere Gedanken zu diesem Thema zu verschwenden, ich war mir über die Belanglosigkeit dieser Absage vollends im Klaren, handelte es sich ja nicht um ein wochenlanges Trauerspiel, um einen Verlust, einer langjährigen Beziehung. Lachen könnte ich über mich! Meine Augen sind feucht, ich ärgere mich über den Regentropfen, der mir ins Auge gefallen sein muss, der Wassertropfen, der jetzt langsam über meine Wange kullert und sich den Weg nach unten sucht, bis das salzige Nass langsam über meinen Mund gleitet. Es muss doch der Regen sein! Ein Gefühl der Enttäuschung machte sich breit. Ich konnte noch nicht einmal jemanden die Schuld zuschieben. Sollte ich sie verurteilen, weil sie netter und herzlicher war, weil sie ein wirklich guter Mensch ist, der mit Offenheit und Freude auf andere zugeht? War ich schuldig? Welche Ironie es ist, Schmerz durch das Gute in einem Menschen zu erfahren! Aber ich wollte mich ja nicht mehr länger mit der Vergangenheit beschäftigen. So machte ich mich auf den Weg. Langsam erlebte ich auf schmerzlich eindrücklicher Weise, dass der Verstand dem Gefühl bei weitem unterliegt, manchmal mag dies das Schönste der Welt sein, wenn man den Emotionen freien Lauf gewähren kann, und manchmal muss man dafür die angeschriebenen Rechnungen bezahlen.

Ich schreite durch den Regen. Immer mehr schwarze Wolken ziehen auf, die schwer und unnachgiebig auf die Erde drücken und einem das Gefühl geben ersticken zu müssen. Sie verdrängen den letzten blauen Horizont gnadenlos, verdammt wurde das schöne Wetter und zurück bleibt trostloses Grau. Traurig schaue ich in den Himmel, dem jeglicher Charakter fehlt, keine Regenwolken die sich in stürmischer Manier ein Rennen liefern, kein Blitz der das Firmament zucken lässt und kein Donner der darauf folgend laut und imposant grollt, kein spannendes Schauspiel der Natur, sondern ein Trauerzug ohne Musik und ohne Gefühl, nur Regen. Die Nässe die mich schleichend durchdringt lässt mich frieren, alles ist kalt, die Wärme hat mich verlassen. Auch der letzt Vogel verstummt, verliert die Lust sein Leid zu singen. Es ist still, eine bizarre Ruhe nur das monotone Klopfen des Regens auf meinem Schädel, der Klang der alle anderen Geräusche verschlingt. Hinter zwei Bäumen, die ruhig dem Regen trotzen, sehe ich die Sonne wie sie untergeht. Der Tag neigt sich dem Ende zu, gewährt der Nacht ihren Raum. Die Dunkelheit nimmt ihren Anspruch, sie ist die dominante Kraft in diesem ewigen Spiel zwischen Tag und Nacht. Es ist das Finstere, dass immer dann kommt, wenn ein Licht erlischt, es passiert von ganz alleine, es ist urgegeben. Mit teuflischer Geduld kommt sie immer wieder, lässt sich vertreiben, erobert zurück, bis sie irgendwann bleibt, die totale Düsterkeit. Ihre Verbündete ist dabei die Kälte, ein Paar, das sich ewig treu sein wird, wann immer sie auftauchen hinterlassen Tod. Es fröstelt mir.

Ich bin weiter auf dem Weg zu meiner selbst. Ich komme an die Strasse. Die vielen grellen Lichter blenden mich, ich hab mich gewöhnt an das Dunkel der Nacht. Ich begann mich wohl zu fühlen, liebe es, wie das Düstere mich in sich aufnahm. Weg mit dem Licht! Ich mag gar nicht mehr sehen, was auf der Sonnenseite der Welt passiert, ich scheue mich vor dem Tag, ich liebe das Dunkel, es wird immer siegen. Es war am Anfang da und wird auch am Ende wieder hier sein. Es stellt keine Ansprüche und nimmt jeden auf. Entscheide Dich für Schwarz! Zuletzt wird jeder die richtige Wahl treffen, ob er denn will oder nicht. Ja, ziehen wir los auf dem Pfad des wahren Glücks. Genugtuung durch die Abstinenz der Freude. Die Autos ziehen mit voller Geschwindigkeit vorüber. Fasziniert beobachte ich das Farbenspiel der Ampel, wie sich rot und grün abwechseln, immer wieder, mechanische Gleichmässigkeit. Viel weniger grell leuchten diese Zeichen, als das beissende Weiss der Autos. Rot, dann wieder Grün. Wie nur habe ich ein solches Rot vermisst, eine schöne Farbe, die Farbe des Mundes, des Weines, der Liebe. Ich weiss, dass der Weg in die absolute Dunkelheit an einem roten Meer vorbeiführt. Wie lieblich scheint doch das Rot dieser Ampel in der Farbe der Leidenschaft. Es zieht mich in ihren Bann, ein göttliches Farbenspiel. Es lacht mich an, es springt voller Freude hin und her. Dann verirrt sich ein unsicheres Lächeln auf mein Gesicht, es wird erwidert, die Strahlen berühren mich und nehmen mich bei der Hand, wie zauberhaft. Es ist die Sehnsucht und die Neugierde die mich verzehren, ich sollte es tun, ich weiss ich muss gehen, hinaus in den Traum. Und dann folge ich der Einladung und gehe, glücklich und ohne zu zögern dem roten Licht entgegen, und schneller als erwartet finde ich mich in der grossen Dunkelheit...

Patrick Heusser, Steinmaur, 24. Mai 1999

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